Eine Schwarze Tansanierin und eine Weiße Deutsche gründen zusammen eine Bildungsinitiative für Kinder in Tansania. Wie kann dieses Projekt richtig an die Öffentlichkeit kommuniziert werden, wenn die Machtverhältnisse zwischen den Gründerinnen im Ungleichgewicht sind? Alexandra erzählt von ihrer Erfahrung als Weiße Deutsche in einem Projekt in Tansania.  

Als ich die von mir mitgegründete Initiative Jambo Sanaa in Tansania nach fünf Jahren das erste Mal grundlegend reflektierte, kamen so viele Fragen auf: Wie gelingt globale Zusammenarbeit? Welche kolonialen Machtstrukturen werden dadurch reproduziert und wie können Organisationen diese Zusammenarbeit nach außen kommunizieren? Wer erzählt wessen Geschichte und was ist der Zweck der Geschichte?

Screenshot des Artikels mit Bild von Alex

Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit im NGO-Sektor legen Verantwortliche zunächst häufig potentielle Spender:innen als Hauptzielgruppe fest. Das primäre Ziel ist demnach Spenden zu sammeln, mit denen NGOs Projekte finanzieren können, um Menschen in Notsituationen zu helfen. Bei Projekten im Globalen Süden sind strukturelle Probleme und Öffentlichkeitsarbeit komplex miteinander verstrickt: Aktivistische Netzwerke wie das Anti Racist Research Network RASTER und die NGO SahWira Africa International zeigen zum Beispiel, dass Spendenaufrufe in Form von Kampagnen die Probleme rassistischer Art verstärken können (siehe Artikel „It’s time to challenge white saviour mentality“).

Warum Tokenismus marginalisierten Personen im Globalen Süden schadet

Ich bin während der Recherche für meine Masterarbeit über Jambo Sanaa auf diese von SahWira Africa und RASTER kritisierte Kampagne “Maternity wear for a 12-year old” von Plan International Finnland aufmerksam geworden. 2013 rief ich ein Kunstprojekt an einer Grundschule in Tansania ins Leben, über dessen Aktivitäten ich 2017 in einem Blog schrieb. Nachdem ich mich in meinem Masterstudium intensiv mit kolonialen Kontinuitäten und White Saviourism beschäftigt habe, ist mir aufgefallen, dass ich in vielen Blogartikeln ähnliche Mechanismen wie die Kreator:innen der Kampagne für Plan International Finnland verwendet hatte. Dabei handelt es sich um den sogenannten Tokenismus in der Bildsprache und den Texten.

Ich habe in einem Blogartikel aus dem Jahr 2017 Notizen von meiner tansanischen Projektpartnerin Abella veröffentlicht, um nicht nur meine Perspektive des Erlebten darzustellen (siehe Bild). Begleitend dazu veröffentlichte ich jedoch auch ein Bild, welches mich auf einer unserer Ausstellungen zeigt. Dementsprechend habe ich mich als Initiatorin des Projekts durch die Bildsprache zentriert und die Texte mir und nicht Abella zugeordnet. Auch in weiteren Texten stellte ich denselben Mechanismus fest: Ich habe oft in der ‚Wir‘-Form geschrieben, obwohl ich die Entscheidungen getroffen habe. Demzufolge wurde meine Projektpartnerin als Token benutzt, da ich nicht augenscheinlich im Mittelpunkt der Initiative stehen wollte. Meine Bild- und Textsprache hat jedoch in dieser Form nicht die eigentlichen Strukturen des Projekts widergespiegelt.

Tokenismus beschreibt kritisch eine symbolische Geste, bei der Menschen, die aufgrund einer (ihnen zugeschriebenen) „Kategorie“, wie beispielsweise Frau oder Schwarz positioniert, eine Minderheit in einer dominanten Gruppe darstellt. Die Praktik des Tokenismus dient dazu, die Kritik an bestehenden diskriminierenden oder ausgrenzenden Machtverhältnissen, wie beispielsweise Sexismus oder Rassismus, abzuwehren, da die dominante Gruppe sich darauf berufen kann, Personen dieser „Kategorien“ aufgenommen zu haben. Bestehende Machtverhältnisse werden damit jedoch nicht erschüttert, sondern nur oberflächlich verdeckt.

Anhand dieses Beispiels sieht man, dass oberflächlich machtkritische Kommunikation nur der schreibenden Person das Gefühl vermittelt, etwas zu verbessern, an den Strukturen jedoch nichts ändert. Denn Lesende können demzufolge auf subtile Art und Weise einen falschen Eindruck des Projekts bekommen. Es ist wichtig, die Strukturen innerhalb einer Initiative zu verändern, um ehrlich kommunizieren zu können. Aus diesem Grund habe ich drei Tipps zusammengestellt, die dir dabei helfen. 

Achte auf die Art der Berichterstattung!

Achte darauf, dass du nicht paternalistisch über die Menschen im Globale Süden berichtest. Was dafür hilfreich ist? Kommuniziere mit der lokalen Bevölkerung vor Ort und nicht primär mit dortigen weißen Menschen.

Sei kritisch mit deiner Herangehensweise!

Ich dachte zu Beginn auch, ich sei reflektiert gewesen. Da wir aber alle rassistisch sozialisiert sind, bleibt es selten aus, dass wir existierende Machtstrukturen in der Arbeit reproduzieren!

Erreicht die Berichterstattung das gewollte Ziel?

Prüfe, ob das, was du mit den Inhalten deiner NGO an die Öffentlichkeit kommunizierst, auch den internen Strukturen entspricht.

Da das Thema sehr komplex ist, können diese Punkte jedoch nur als Anhaltspunkte verstanden werden. Dessen Befolgung bedeutet nicht automatisch, dass die Machtstrukturen überwindbar sind. Sie sind einfach da. Wir können nur nach dem „Do no harm“ Prinzip versuchen, den Schaden, den wir anrichten, zu reduzieren.

Wenn du dich noch mehr zu diesem Thema informieren willst, empfehle ich folgende Autor:innen:

  • Alice Hasters
  • Dr. Natasha A. Kelly
  • Tupoka Ogette

Hier findet ihr ein Interview mit Jörg und hier findet einen Beitrag zu dem spannenden Thema automatische Textgenerierung.

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